Zwischen 2005 und etwa 2010 war StudiVZ eines der zentralen Social Networks in Deutschland — eine Plattform, auf der Studierende sich vernetzen, Gruppen gründen oder einfach nur „gruscheln“ konnten. Doch wer steckte hinter diesem deutschen „Facebook“ der Nullerjahre? Wie entstand das Netzwerk, und wie kam es zu seinem spektakulären Aufstieg und späteren Absturz? In diesem Artikel beleuchten wir die Gründung, die Geschichte, die Konflikte und die Rolle der Gründer — mit all ihren Chancen, Fehlern und Lehren für heutige Social Media Unternehmen.
Das Wichtigste in Kürze
- StudiVZ wurde Ende 2005 als soziales Netzwerk für Studierende in Deutschland gegründet – als deutsches Pendant zu Facebook.
- Die Hauptgründer waren Ehssan Dariani (CEO) und Dennis Bemmann (CTO).
- Kurz nach dem Erfolg kam ein Verkauf an die Verlagsgruppe Holtzbrinck (2007) für rund 85 Millionen Euro.
- Technische und strategische Probleme, Konkurrenz durch Facebook und Nutzerabwanderung führten langfristig zur Insolvenz von Poolworks / VZ Netzwerke und letztlich zur Abschaltung von StudiVZ im März 2022.
- Die Gründer sind heute vor allem als Investoren aktiv und reflektieren über die Erfolgs- und Krisenphasen des Projekts.
Die Gründer von StudiVZ: Wer steckte dahinter?
Die Namen Ehssan Dariani und Dennis Bemmann tauchen heute als Synonym für die Geschichte von StudiVZ auf — doch ihre Hintergründe und Rollen waren unterschiedlich und komplex.
- Ehssan Dariani (geboren 1980) kam in den 1980er Jahren als Kind einer Flüchtlingsfamilie aus dem Iran nach Deutschland. Er wuchs u. a. in Kassel auf. Trotz anfänglicher Widerstände versuchte er früh unternehmerische Projekte, z. B. mit Online-Geschäften oder Studentenportalen. Später übernahm er bei StudiVZ die Position des CEO.
- Dennis Bemmann (geboren 1978) studierte Informatik (und später auch Islamwissenschaften) in Berlin. Bereits 1997 gewann er bei „Jugend forscht“ in Mathematik/Informatik einen Preis, und er engagierte sich im Deutschen Jungforschernetzwerk, das er mitgründete. Bei StudiVZ zeichnete er vor allem für die technische Umsetzung verantwortlich (CTO).
Ein dritter Name, Michael Brehm, wird gelegentlich als Mitgründer genannt – er soll später im erweiterten Gründerumfeld bei VZ-Netzwerke mitgeteilt haben, aber seine Rolle war weniger prominent als die von Dariani und Bemmann.
Bemmann und Dariani trafen sich über das Netzwerk ihrer Jungforscher-Initiative und entschieden: „Warum machen wir sowas nicht für alle Studenten?“
Die Idee & Gründung: Vom Projekt zur Plattform
Im Jahr 2005 starteten Dariani und Bemmann das Projekt StudiVZ – eine Plattform speziell für Studierende im deutschsprachigen Raum. Der Name stammt vom Begriff „Studienverzeichnis“ bzw. „Studiverzeichnis“, oft abgekürzt als „StudiVZ“.
Das Konzept war klar: eine soziale Plattform, vergleichbar mit dem amerikanischen Facebook von Mark Zuckerberg, aber mit lokalem Fokus und deutscher Nutzerbasis. Die erkennbare Ähnlichkeit in Design und Funktionen führte später auch zu Vorwürfen und einer Klage.
Schon kurz nach dem Start gewann das Netzwerk an Dynamik: 2006 kamen Ableger wie SchülerVZ und 2008 MeinVZ hinzu, um auch Nicht-Studenten bzw. Schüler anzusprechen. Während Studierende das Herzstück bleiben sollten, boten die Ableger eine Möglichkeit zur Erweiterung des Netzwerkes jenseits der Uni.
In den Nullerjahren war der Grundgedanke revolutionär: Eine studentische Plattform, localized, mit Funktionen wie Profilen, Gruppen, Nachrichten – und mit Wörtern wie „Gruscheln“, einer Eigenkreation, die an „Anstupsen“ bei Facebook erinnerte.
Investoren kamen rasch ins Spiel: Poolworks (später VZ Netzwerke) übernahm die Rolle des Betreibers, und frühe Kapitalgeber unterstützten das Projekt.
Aufstieg, Wachstum & Erfolg
Der Aufstieg von StudiVZ war rasant: Innerhalb kurzer Zeit stieg die Nutzerzahl auf Millionen, das Flächenwachstum war beeindruckend. In Spitzenphasen wurden über 17 Millionen Accounts bei den VZ-Netzwerken erreicht (StudiVZ + SchülerVZ + MeinVZ).
Die Funktionen waren zentral für die Attraktivität:
- Gruppen als Treffpunkte für gemeinsame Interessen (Themenforen, Uni-Fächer, Freizeit)
- Gruscheln als Möglichkeit, unaufdringlich Kontakt aufzunehmen
- Private Nachrichten, Profilseiten, Fotoalben, Freundschaftsnetzwerke und thematische Filter
Als Konkurrenz zu Facebook versuchte StudiVZ, mit lokalem Fokus und spezifischen Funktionen zu punkten. Angeblich bot Mark Zuckerberg einst Beteiligungen an Facebook im Tausch gegen StudiVZ-Aktien an – ein Deal, den die Gründer ausschlugen. Wäre das Angebot angenommen worden, so heißt es, wären die Anteile heute Milliarden wert.
Im Jahr 2007 erfolgte der Verkauf an den Holtzbrinck-Verlag für etwa 85 Millionen Euro. Danach begann ein Wandel in der Unternehmensstruktur.
Herausforderungen, Probleme & Skandale
Der Erfolg kam nicht ohne Schattenseiten. Schon früh traten technische Schwierigkeiten und Skalierungsprobleme auf: Bei starkem Wachstum stieß die Plattform an ihre Infrastrukturgrenzen. Auch im Interview spricht Bemmann davon, dass man „nächtelang geschraubt“ habe, um alles am Laufen zu halten.
Eine große Herausforderung war die Konkurrenz durch Facebook: mit globaler Reichweite, ständiger Weiterentwicklung und massiver Kapitalkraft. Viele Nutzer wanderten ab, gerade weil Facebook internationale Vernetzung bot.
Zudem gab es Vorwürfe des Plagiats – StudiVZ wirkte in Layout, Funktionen und Aufbau oft wie eine kopierte Version von Facebook. In frühen Versionen war gar ein Stylesheet mit dem Namen „myfb.css“ zu finden. Auch Account-Lecks und Datenschutzskandale belasteten das Vertrauen: 2006 sollen über 1 Mio. Profile heruntergeladen worden sein, dazu gab es Datenbankzugriffe und Passwortprobleme.
Interne Konflikte zwischen Gründern, Investoren und Führungskräften wurden ebenfalls öffentlich diskutiert – besonders nach dem Verkauf an Holtzbrinck.
Schließlich kamen Nutzerabwanderung, sinkende Reichweite, und die Schwierigkeit, das Geschäftsmodell zu monetarisieren, hinzu.
Der Verkauf & der langsame Absturz
Der 2007 abgeschlossene Deal mit Holtzbrinck war ein Wendepunkt: StudiVZ wurde nicht mehr vollständig von den Gründern kontrolliert. Bald darauf verloren Dariani und Brehmann operative Kontrolle.
In den Folgejahren wandelte sich der Betreibername mehrfach (VZnet, Poolworks) und die Netzwerke kämpften mit sinkender Nutzerzahl und schrumpfendem Engagement. Mehrere Reorganisationen und Umbenennungen folgten.
Am 7. September 2017 meldete die Betreiberfirma Poolworks Insolvenz an. 2022 wurde StudiVZ schließlich endgültig abgeschaltet.
Damit endete eine Ära — die einstige Plattform mit Millionen Nutzern ist heute Geschichte.
Was wurde aus den Gründern & welchen Eindruck hinterließ die Geschichte?
Nach der StudiVZ-Ära sind beide Gründer in der Tech- und Investorenwelt aktiv:
- Dennis Bemmann engagierte sich als Investor, gründete die Bergfürst AG (Crowdinvestment-Plattform) und sitzt im Aufsichtsrat.
- Ehssan Dariani zieht sich stärker ins Private zurück, investiert in Startups und Immobilien, lebt in Berlin-Mitte.
Beide reflektieren heute offen über die Hürden, Fehler und Chancen ihrer Gründerzeit.
Lehren für heutige Gründer / Social Media Unternehmen:
- Timing und Flexibilität sind entscheidend – wer zu sehr auf ein statisches Konzept setzt, riskiert Marktverlust
- Lokaler Fokus kann ein Vorteil sein — doch internationale Skalierung ist schwer
- Monetarisierung und Geschäftsmodell dürfen nicht vernachlässigt werden
- Datenschutz, Vertrauen und Nutzerbindung sind zentral für langanhaltenden Erfolg
Ein Kapitel der digitalen Geschichte, das bleibt
StudiVZ war kein bloßes Schulprojekt, sondern ein frühes Social Media Unternehmen, das Millionen Menschen erreichte und eine ganze Generation prägte. Die Gründer Ehssan Dariani und Dennis Bemmann haben mit ihrer Plattform viel gewagt — und teilweise gewonnen, teilweise verloren. Ihr Projekt zeigt, wie eng Erfolg und Risiko im Internet verbunden sind.
Auch wenn das Netzwerk heute abgeschaltet ist, bleibt die StudiVZ Story als prägende Episode der deutschen Internet- und Gründerkultur relevant – als Beispiel für Aufbruch, Machtwechsel, Herausforderungen und die Unwägbarkeiten eines schnelllebigen Marktes.
Bildquellen
- StudiVZ Gründer – Wer steht hinter der Plattform?: https://studivz.eu/
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