Expertentalk mit Christian Kersten, Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur in Berlin

Die Berliner Bauwirtschaft boomt – doch jedes noch so visionäre Projekt beginnt mit exakter Vermessung. Ohne präzise Daten kein Bauantrag, keine Grenzfeststellung, keine Planbarkeit. Hinter vielen dieser essenziellen Vorarbeiten steht ein Berufszweig, der selten in der ersten Reihe steht, aber umso tragender ist. Christian Kersten kennt dieses Geschäft seit Jahrzehnten – und mit ihm ein ganzes Stück Berliner Stadtentwicklung.

Seit 2010 führt er sein eigenes Vermessungsbüro in Berlin-Friedrichshain mit Projekten, die von privaten Bauherren bis hin zu Großvorhaben der Wohnungsbaugesellschaften reichen. Dabei geht es nicht nur um Technik, sondern immer auch um Verantwortung: als Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur erstellt Kersten amtliche Dokumente mit rechtlicher Bindung. Und obwohl Digitalisierung, Drohnen und GPS längst Teil des Alltags sind, bleibt eines konstant: die Vermessung ist so nah am Menschen wie am Millimeter.

Wir haben mit Christian Kersten über veränderte Anforderungen, technische Entwicklungen und die Rolle seiner Branche gesprochen. Und auch darüber, warum man sich in Berlin manchmal noch mit historischen Grenzunterlagen aus dem 19. Jahrhundert arbeiten muss.

Gründertalk fragt:

Herr Kersten, viele verbinden Vermessung nur mit Bauanträgen. Was sind typische Situationen, in denen Menschen oder Unternehmen zu Ihnen kommen – und was sind häufige Missverständnisse über Ihre Arbeit?

Kersten: Neben den genannten Bauanträgen sprich den Lageplan zur Bauvorlage, werden für ein Bauprojekt noch Absteckungen zur Anzeige der Lage- und Höhe des Projektes und eine Kontroll- und Gebäudevermessung an einem Bauprojekt benötigt. Ein eigenständiges Feld bilden die Grenzvermessungen, entweder als Grenzanzeige oder und Abmarkung von Grenzpunkten oder auch als Flurstückszerlegung / Teilung von Grundstücken zu denen auch die bauordnungsrechtliche Prüfung bzw. wenn notwendig das Eintragen von Baulasten zählt.

Weitere Aufgaben sind die geodätische Beweissicherung an Bestandsbauwerken und gutachterliche Tätigkeiten.

Die häufigsten Missverständnisse gibt es in der Ansicht der Menschen, beim Grenzverlauf. Viele gehen davon aus, dass der örtliche Besitzstand (Zaun, Mauer) die rechtlich korrekte Grundstücksgrenze darstellen. Diese wird jedoch in Berlin seit 1896 im Liegenschaftskataster dokumentiert und fortgeführt und stimmt nicht immer mit der Besitzstandsgrenze überein.

Sie sind Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur. Das klingt nach einer besonderen Qualifikation – was bedeutet das konkret für Ihre Verantwortung, aber auch für Ihre Befugnisse?

Kersten: Die öffentliche Bestellung heißt, dass ich für das Land Berlin öffentlich-rechtliche Aufgaben auf Grundlage des Vermessungsgesetzes wahrnehmen kann.  Hierbei werden im Wesentlichen Urkunden erstellt, die dann zur Fortführung des Liegenschaftskatasters dienen. Auch die Lagepläne zur Bauvorlage, die bei jedem Bauvorhaben in Berlin angefertigt werden, sind Urkunden die von mir für die Richtigkeit gezeichnet werden und eine wesentliche Grundlage für die Entscheidung der Behörden über den Bauantrag darstellen.

Sie waren an Großprojekten beteiligt. Wie geht man als kleines Büro an solche Aufgaben heran? Und unterscheidet sich die Arbeit dabei stark von einem privaten Bauvorhaben in der Nachbarschaft?

Kersten: Die Vermessungsaufgaben am Bau unterscheiden sich bei Großprojekten oder dem privaten Bauvorhaben nur am Umfang der Aufgaben, die dann natürlich im Büro eine zusätzliche Koordinierung der Arbeiten bedeuted. Während der private Bauherr mit dem Lageplan, der Absteckung und Gebäudevermessung meistens ausreichend betreut werden kann, so werden bei Großprojekten neben den üblichen Aufgaben auch noch Grenzvermessungen oder auch Beweissicherungen und zusätzliche Absteckungen benötigt.

In Berlin wird viel gebaut, aber auch viel gestritten – um Grenzverläufe, Eigentumsfragen, Bauhöhen. Wie oft sitzen Sie eigentlich zwischen den Stühlen, wenn es um Vermessung und Recht geht?

Kersten: Als Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur wurde ich mehrfach von Gerichten als Gutachter in Streitfragen angefragt. Die Gutachten helfen dann die Rechtslage im Streitfall auf Grundlage von Vermessungen und Auswertungen klar darzustellen.

Sie bilden ein Team, das regelmäßig Verstärkung sucht. Was muss jemand mitbringen, um in Ihrem Bereich nicht nur fachlich, sondern auch menschlich gut zu arbeiten?

Kersten: In erster Linie würde ich die Motivation, Teamfähigkeit und die Auffassungsgabe sehen. Eine Qualifikation in meinem Berufsfeld als Techniker oder auch Bachelor / Master sind hilfreich, stellen aber für die speziellen Anforderungen an die täglichen Aufgaben ein Grundgerüst dar, welches das Verständnis der Aufgaben erleichtert und immer wieder auf den aktuellsten Stand gebracht werden muss..

Vielen Dank für das Gespräch und die interessanten Einblicke, Herr Kersten!

Quelle: Foto von paulbr75 auf pixabay




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